Neuer Ausbildungsberuf „Kaufmann im E-Commerce“ von der IHK Berlin vorgestellt

Neuer Ausbildungsberuf „Kaufmann im E-Commerce“ von der IHK Berlin vorgestellt

Ähnlich wie viele andere Branchen ächzt auch der E-Commerce unter einem akuten Fachkräftemangel. Im Vergleich jedoch zu anderen Branchen hat es der E-Commerce allein deswegen schon schwer, da für diese Thematik weder eine klassische Ausbildung existiert, noch ein bestimmter Studiengang sich voll darauf konzentriert.

Somit kann man den E-Commerce als eine Branche der Quereinsteiger bezeichnen. In einer Umfrage des BEVH (Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland) gaben 54% aller befragten E-Commerce Unternehmen an, dass man den Personalbedarf nicht mehr alleine in Deutschland decken kann und aus dem Ausland rekrutieren muss. Daraus resultierend sind in deutschen E-Commerce-Agenturen zig tausende Stellen unbesetzt oder in vielerlei Hinsicht falsch besetzt.

Um diesem akuten Fachkräftemangel und auch der Quereinsteigerproblematik entgegen zu wirken, wird es nun endlich zum kommenden Ausbildungsjahr 2018/19 den neuen Ausbildungsberuf „Kaufmann im E-Commerce“ im dualen Ausbildungssystem geben. Dieser längst überfällige Schritt wurde heute am 31.01.2018 von der IHK Berlin und dem BEVH vorgestellt. Ich selbst wohnte dieser Veranstaltung bei und möchte hier meine positiven und auch teilweise sehr negativen Eindrücke mitteilen.

Ambitionierte IHK, durchdachte Rolle des BEVH & umfangreicher Rahmenplan

Herr Groß-Albenhausen vom BEVH präsentierte sehr ausführlich, welches Ziel mit dem neuen Ausbildungsberuf erreicht werden soll: Kaufleute im E-Commerce sollen mit Abschluss der 3-jährigen Ausbildung befähigt werden, als Schnittstelle zwischen allen partizipierenden Abteilungen (z.B. der IT und der Grafik) zu fungieren und selbständig alle Prozesse in einem E-Commerce Unternehmen zu verstehen, leiten und zu gestalten.

Ich glaube, diese Befähigung eines/r Kaufmanns/Kauffrau im E-Commerce wird bei allen Branchenvertreter gut ankommen. Die Ausbildung gliedert sich in die folgenden Teilbereiche:

  • Online-Vertriebskanäle
  • Anwendungssysteme
  • Gestaltung des Online-Einkaufserlebnisses
  • Entwicklung des Waren- oder Dienstleistungsangebotes
  • Online-Werbung und Kundenbindung
  • Online-Einkäufe abwickeln
  • Kundenservice im Internet anbieten
  • Projekte selbständig und verantwortlich durchführen
  • Neue Geschäftsideen unternehmerisch ausarbeiten

Der Vortrag beinhaltete auch viele Anekdoten aus der Planung dieses neuen Ausbildungsberufes und es wurde deutlich gemacht, weswegen dieser auch erst jetzt im Jahre 2018 Zustande kommt. Schließlich darf man nicht vergessen, dass Bildung in Deutschland immer noch „Ländersache“ ist und sich somit 16 Bildungsministerien auf einen einheitlichen Fahrplan einigen müssen.

Im Anschluss ging Frau Katrin Engel von der IHK Berlin etwas konkreter auf die Ausbildung an sich und die Voraussetzungen ein.  Die Themen "Wer eignet sich für diesen Beruf, wer darf ausbilden und was sind die Prüfungsinhalte" wurden angesprochen. Sehr gut aufbereitet und vor allem deutlich abgegrenzt zu den bisherigen Ausbildungsberufen.

Ich muss gestehen, dass ich mit relativ wenig Erwartungen zu dieser Veranstaltung gegangen bin, wurde jedoch von dem Engagement des BEVH mit durchaus richtigen Ansätzen bezogen auf den Lehrplan positiv überrascht.

Praxisferne Zustände in der Berufsschule

Schwieriger wird es sich wahrscheinlich mit der Umsetzung gestalten.  Auf die Frage, ob die zuständige Berufsschule denn darauf vorbereitet ist, gerade beim Thema digitale Austattung, gab es leider keine zufriedenstellenden Antworten, zu mindestens nicht für den Standort Berlin. Welch Ironie, gilt doch Berlin als die "Start-Up Hauptstadt Europas". Nirgendwo findet man mehr "digitale Unternehmen" in Deutschland wie hier. Wenn es jedoch um die öffentliche Verwaltung und somit auch um das örtliche Bildungsministerium geht, ist von "digital", "innovativ", "fortschrittlich" & "zukunftsorientiert" nicht mehr viel zu spüren.

Aktuell steht noch nicht mal die Berufsschule fest und es sieht wohl so aus, dass das Lehrpersonal aus dem Ausbildungsberuf "Kaufmann für Groß- und Außenhandel" federführend tätig wird. Mit satten 120 Stunden im 2. Ausbildungsjahr steht laut Rahmenplan der Block "Online-Marketing-Maßnahmen umsetzen und bewerten" an. Darunter fallen Themen wie Suchmaschinenoptimierung, Advertising oder Affiliate Marketing. Im 3. Ausbildungsjahr ist der Block "Online-Vertriebskanäle auswählen" mit 100 Stunden dran. Das wäre somit frühestens 2020 dran.

Worauf möchte ich hinaus? Auf meine Frage, wie denn jemand aus dem Bereich "Groß- und Außenhandel" sinnvolle Lehrinhalte aus dem Bereich "Suchmaschinenoptimierung" geben soll, hieß es, dass die Lehrkräfte vom BEVH vor dem kommenden Ausbildungsjahr einmalig geschult werden. Na wenn das mal reicht. Schließlich sollte sich diese Lehrkraft stets mit aktuellen Themen, wie z.B. welcher Online-Vertriebskanal im Jahre 2020 aktuell sein soll oder welche SEO-Maßnahmen 2019 wichtig sein werden, beschäftigen.

Da das kommende E-Commerce - Fachpersonal von Lehrkräften geschult wird, die nicht vom Fach sind, so kann man davon ausgehen, dass eine betriebsneutrale Ausbildung in der Berufsschule nicht zu erwarten ist. Ich denke, über die Qualität der Ausbildung entscheidet somit überwiegend der Betrieb.

Fazit

Als Shopware Agentur im E-Commerce haben wir natürlich ein sehr großes Interesse an ausreichend Fachpersonal in der Branche und somit auch an diesem neuen Ausbildungsberuf. Natürlich bin ich etwas betrübt, über die Zustände im Bereich der Berufsschule in Berlin, aber das muss ja nicht in jedem Bundesland so sein.

In jedem Fall muss man dem "Kaufmann im E-Commerce" nicht nur eine Chance geben, sondern aktiv unterstützen. Da wir bei Pixup Media eine Passion für den E-Commerce haben, sehe ich uns natürlich selbst in der Pflicht als zertifizierter IHK Ausbildungsbetrieb mit bestem Beispiel voran zu gehen. Das bedeutet konkret eben auf betrieblicher Seite so gut wie nur möglich praktische Inhalte auch auf Basis des Rahmenplanes zu vermitteln und möglichst kritisch (und dennoch konstruktiv) zu agieren, wenn es auf der schulischen Seite nicht die gewünschten Fortschritte gibt.

Wie auch immer, unsere Branche hat nun ein Stück weit mehr Wertschätzung erhalten: Wir haben jetzt auch unseren eigenen Ausbildungsberuf!

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